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Interview mit Momme Weiher zu seinen Erfahrungen in Sierra Leone

17. Mai 2022

Momme Weiher (22): Von Barmstedt nach Sierra Leone

„Wie wir leben, ist ein Privileg“

Taten kann man in jedem Alter sprechen lassen: Momme Weiher ist der jüngste Unterstützer des Vereins „Taten statt Worte“. Der 22jährige aus Itzehoe macht in Barmstedt eine Ausbildung zum Schornsteinfeger und Energieberater. In diesem Jahr ist er nach Sierra Leone gereist, wo aus Spendengeldern der Aufbau eines Berufsschulzentrums finanziert wird.

Momme, junge Leute in Deinem Alter wollen nach New York oder London. Warum bist Du nach Kamakwiein Sierra Leone gefahren?

Ich bin reiselustig, New York gehört auch zu meinem Reisezielen. Aber in Afrika habe ich gelernt: So läuft die Welt wirklich. Wie wir hier in Deutschland leben, ist ein Privileg.

Was heißt das konkret?

Zum Beispiel: Kein fließendes Wasser, kein Strom von Stadtwerken – Licht haben wir abends mit Kerzen gemacht. Geduscht wird mit der Kelle aus dem Bottich. Kinder laufen Kilometer mit Kanistern auf dem Kopf, um überhaupt Wasser heranzuschleppen. Manche hungern tagelang, weil es einfach nichts für sie gibt. Viele fragten mich, ob ich ihnen etwas zu essen geben kann. Die Not macht aus ihnen kleine Erwachsene. Selbst die 15 Euro Schulgeld im Jahr können sich viele Familien nicht leisten – auch hier hilft „Taten statt Worte“ mit Zuschüssen. Denn Bildung ist der Schlüssel für eine bessere Zukunft.

Genau da setzt das Berufsschulzentrum an. Wie ist dort die Lage?

Es wurde schon einiges erreicht, gemeinsam mit dem Itzehoer Verein „Mahmoo“. Es gibt Schulräume, eine Schulküche, sehr engagierte Lehrkräfte, die sogar viel Freizeit opfern. 242 Schülerinnen und Schüler profitieren davon, einige haben jeden Tag einen Schulweg von zweimal 10 Kilometern, ein Halbmarathon. Ich habe hospitiert und auch ein wenig im Unterricht geholfen. Von Deutschland habe ich nicht so viel erzählt, es hätte sie nur unglücklicher gemacht. Das Durchschnittseinkommen liegt hier bei 527 Euro – im Jahr!

Gibt es denn gar keine Zeichen der Hoffnung?

Doch, klar, kleine Zeichen vor Ort. Die Schule kann erweitert werden, weil der Andrang enorm ist. An gespendeten Nähmaschinen erlernen Frauen und Mädchen das Schneiderhandwerk und bauen sich eine Existenz auf, etwa durch die coolen Taschen, die „Lions Bag“ heißen und sich gut verkaufen (siehe: www.lionbag.de). So werden sie zur Haupteinnahmequelle ihrer Familie. Es hat mich berührt, wie extrem freundlich und fürsorglich ich hier trotz aller Not aufgenommen wurde, die Sorgen meiner Oma haben sich nicht bewahrheitet.

Wie geht es weiter mit der Schule?

Die Bereiche Computer und IT finden großes Interesse, das wird ausgebaut. Denn so entstehen neue Möglichkeiten, auch aus Afrika in einer Boombranche Fuß zu fassen. Das Haus soll erweitert werden, auch ein Internetcafe für Kinder und Jugendliche soll entstehen. Viele, die hier lernen, wollen sich später selbständig machen. Wenn ich sie nach ihrem Berufswunsch gefragt habe, hörte am häufigsten: Anwalt in Amerika oder Fußballstar. Das war schon herzergreifend, denn dieses Ziel werden sie ja kaum erreichen. Da sind Handwerksberufe realistischer.

Und Deine Pläne?

Ich mache meine Ausbildung fertig und werde weiter unterwegs sein in der Welt. Auch nach Sierra Leone halte ich mit Messangerdiensten Kontakt. Und ich freue mich auf Guatemala, dort ist „Taten statt Worte“ ja schon sehr lange aktiv.