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Rainer Sanchez – geehrt von der Stadt Barmstedt

10. Dezember 2018

Am Samstag, den 8.12.2018 ist Rainer Sanchez aufgrund seines ehrenamtlichen Engagements von der Stadt Barmstedt ausgezeichnet worden. (Siehe auch: Barmstedter Zeitung vom 10.12.18.)

Er widmete seinen Preis allen, die seinen Verein „Taten statt Worte e.V.“ mit Taten und Spenden unterstützen.

Die Laudatio von Helga Pergande hier im Wortlaut:

Lieber Rainer,

Du hast Deiner Hilfsorganisation einen Namen gegeben, der genau Deinen Kern trifft. TATEN  STATT WORTE.

Danach hast Du immer gehandelt. Du schnackst nicht viel rum, sondern packst an. Ich zitiere mal einige Weggefährten, die  ich gefragt habe, was sie denn so von Dir halten: Du bist unwahrscheinlich hilfsbereit. Das gilt für die Nachbarschaftshilfe und reicht bis nach Vietnam, Äthiopien und Guatemala. Du bist freundlich. Du redest nicht um den Brei herum, bist auch manchmal unbequem, mit Ecken und Kanten  – positiv gemeint. Ehrlich Rainer? Für die Diplomatenlaufbahn wärest Du nicht geeignet. Weitere Kommentare: Du bist ein Mensch, der ein stark ausgeprägtes Bewußtsein für Elend hat, was bewundernswert ist. Du bist ein Mensch, der sich selbst nicht so wichtig nimmt, dafür das Leid anderer Menschen umso mehr. Du kannst andere Menschen davon überzeugen, mit Dir an einem Strang zu ziehen. Du bist stets um neue Spender bemüht – klappern gehört zum Handwerk, das kannst Du. Du bist vertrauenswürdig. Du hast ein großes Herz. Soweit die Weggefährten.

Das paßt zur Aktion, die Du mit Hilde Brandt gemacht hast, die ältere Dame, die Du betreut hattest. Sie unterstützte zwei Patensöhne in Äthiopien und äußerte häufig den Wunsch, diese einmal kennenzulernen. Du sagtest einfach: „Hilde, wir beiden fahren dorthin.“ Du nahmst Deine Nichte, eine Krankenschwester,  mit, weil Hilde epileptische Anfälle hatte. Als die blinde Mutter der Kinder und Hilde sich in den Armen lagen, hast Du feuchte Augen gehabt. Das ist Empathie. Bei dem Besuch lerntest Du übrigens Girma kennen, unseren Partner in Äthiopien. Er arbeitete für die Kindernothilfe. Rainer, du fackelst nicht lange, du packst zu. Die ersten Pressekontakte hatte ich mit Dir, als ich über Deine Hilfstransporte nach Polen berichtete, die Du selbst begleitetest. Das ist auch schon fast 40 Jahre her.

Rainer, Du hast wirklich viel erlebt und hat einen besonders großen Schutzengel – oder mehrere.

Polen: Wer hat schon das Privileg, mit PKW voran und dahinter ein mit Hilfsgütern voll beladener Sattelzug als einziges westliches Fahrzeug in der ellenlange Militärkolonne des Warschauer Pakts durch Polen zu fahren? Als 1981 das Kriegsrecht ausgerufen wurde, warst Du nämlich gerade mit Deinem Sohn da. Du hast einmal mit dem Kirchenchor, in dem Du singst, eine Reise durch Polen unternommen. Ihr habt dort in verschiedenen Städten gesungen. Irgendwo auf einer Landstraße seid Ihr mit dem Bus im Schnee stecken geblieben. Wer ist aus dem Bus gestiegen und hat erreicht, daß der Bus weiterfahren konnte? Du natürlich.
Kroatien: Als Du Hilfsladungen nach Kroatien (Jugoslawien-Krieg) brachtest, fragtest Du mich, ob ich einmal mitkommen wolle. Wollte ich. Wir bretterten über die Alpen nach Dugo Selo, wo mehrere tausend Bosnien-Flüchtlinge unter schlimmen Bedingungen hausten. Es ist schon lange her, aber ich kann mich noch erinnern, dass Du Dir alles zeigen ließest, was Du dort in die Wege geleitest hattest. Penibel und akribisch bist Du alle Unterlagen durchgegangen, damit auch ja kein einziger Cent der Spendengelder vorbeirollt. Das hast Du auch in Äthiopien und Guatemala so gehandhabt. Mit mir machtest Du auch einen Abstecher an die Front. Wir fuhren bis zu den riesigen Beton-Panzersperren auf der Straße. „Da hinten steht der Feind“, sagte er und zeigte lapidar geradeaus über die Wiese. Ich fand es gar nicht weit hinten, sondern ziemlich weit vorne und wurde immer kleiner auf dem Beifahrersitz. Viel später erfuhr ich, daß Du Dich doch mal weiter vorgewagt hast und von Soldaten aufgegriffen wurdest, die dich in ein Häuschen zerrten, wo du, der Pazifist, auf einer vollen Munitionskiste sitzen mußtest, um Frage und Antwort zu stehen. Du bist auch Ehrenbürger von Dugo Selo geworden, was Du natürlich nicht an die große Glocke gehängt hast. Mit Fernsehen, Nationalhymne, Nadelstreifen usw, was Dir natürlich gar nicht liegt.

Vietnam: Du hast auch bei dem Waisenhaus-Projekt in Vietnam Erlebnisse gehabt. So wolltest du eine Familie mit Drillingen mitten im Regenwald besuchen.  Schwester Elisabeth, die das Waisenhaus leitete, hatte Dir erzählt, daß die Kinder zur Adoption freigegeben werden sollten. Das kam für Dich nicht infrage. Da war es wieder, Dein großes Herz. Den Eltern die Kinder wegnehmen und alle trennen? Du hast sofort gehandelt, wie es Deine Art ist. Bei dem in der Regenzeit aufgeweichtem Boden konnte aber kein Auto fahren. So schnapptest Du Dir drei Jungs mit Motorrädern, auf denen Du, Elisabeth und ihre Mitarbeiterin Irène auf dem Sozius Platz nahmst. Die Fahrer machten mit euch ein schlingerndes Wettrennen durch Ölbaumplantagen zu der Hütte – mit flatternden Gewändern der Ordensschwestern. Wie es Deine Art ist, hast Du die Kinder quasi adoptiert und bis zu deren Hochzeiten unterstützt. Du hattest auch der Familie ein kleines Stück Land gekauft. Du hast dafür gesorgt, daß die Familie zusammenbleiben konnte.

Äthiopien: Irgendwann fragtest Du mich, ob ich Dich nach Äthiopien zu einem Hilfsprojekt begleiten wolle. Vor meinen Augen tat sich ein Märchen von 1000 und einer Nacht auf, ein geheimnisvolles Land, ein Kaiserreich mit Kaiser Haile Selassie. Wo überhaupt liegt Äthiopien? Ich wurde von Bekannten und Verwandten gewarnt, in so ein rückständiges Land mit entsetzlichen Krankheiten zu reisen. Jetzt gerade, dachte ich und ließ mich durchimpfen gegen Krankheiten, von denen ich dachte, es gibt sie nicht mehr. Ich bin durch ganz Europa getrampt und habe viel erlebt, aber diese Reise hat mir die Augen für die wichtigen Dinge des Lebens geöffnet. Dinge, die Dir am Herzen liegen, und für die Du kämpfst. Die Welt ein bißchen gerechter machen, die Ärmsten der Armen ein bißchen teilhaben lassen an unserem Wohlstand, der für uns selbstverständlich ist und für sie unerreichbar. Du sagst immer, unsere Hilfe ist ein Tropfen auf dem heißen Stein. Ja, das stimmt, aber ein steter Tropfen höhlt den Stein. Und das hast Du bewirkt mit z.B. den Wasserprojekten in Äthiopien. Sauberes Wasser für Bewohner in entlegenen Dörfern im Hochland, wo die großen Hilfsorganisationen nicht hinkommen. Sauberes Wasser verhindert die dort verbreiteten Augenkrankheiten, die zur Erblindung führen. Eine Wasserstelle im Dorf bewirkt, dass die Mädchen, die das Wasser aus entlegenen Quellen holen müssen, zur Schule gehen und an Bildung teilhaben können.Und Dein Motto „Hilfe zur Selbsthilfe“, lieber Rainer, schlug auch dort voll ein. Du hast keine Brunnen bohren lassen, sondern Rohre von der höher gelegenen Quelle in das Dorf gelegt. Kaputte Rohre konnten die Bewohner selbst reparieren. Wir haben Kinder mit aufgequollenen Hungerbäuchen gesehen, Kinder, denen die Fliegen in Mund- und Augenwinkeln krabbelten.

Guatemala: In Guatemala Stadt sind wir von einem Slum quer und illegal auf die riesige Müllhalde geklettert, auf der Familien mit Kindern arbeiten, denen wir mit Spendengeldern ein Schulbesuch im Instituto Rainer und Gaby Sanchez ermöglichen. Wir haben uns bis zur niedrigsten terrassenförmigen Stelle, wo die Armen arbeiten, durchgekämpft, als wir von der Security mit riesigen pump guns abgeführt und zum Ausgang begleitet wurden. Es war ein bißchen gruselig. Ich möchte die Reisen mit Dir nicht missen. Du hast so viel bewirkt, auch dank Deiner Spender, die Dir voll vertrauen, weil Du beweisen kannst, daß jeder Cent dort ankommt, wo er benötigt wird. Wir unterstützen Projekte in Stadtvierteln, vor denen gewarnt wird, sie zu betreten. Natürlich bist Du mit uns dort durchgegangen, allerdings mit Einheimischen. Wir hatten Uhren, Handys usw. abgelegt. Rainer: „Man muß dort hingehen, wo es wehtut, man muß es selbst sehen und begreifen, um wirksam helfen zu können.“ Wir habe die blanke Armut dort gesehen. In irgendeinem Land hattest Du Dich auf der Straße auf einen Stuhl gesetzt und Dir von einem Schuhputzer die Schuhe blank wienern lassen. Ich fragte Dich, ob es nicht ein bißchen peinlich sei, sich so bedienen zu lassen – ein bißchen kolonialhaft. Du antwortetest, daß Du mit dieser Geste dem Mann in Würde ein Einkommen sicherst, womit er seine Familie ernähren könne. Du hattest recht.

Eines muß ich zum Schluß noch erwähnen: Ohne Deine Frau Gabi hättest Du diese Aufgaben nicht bewältigen könne. Sie hat mit Euren Kindern und Beruf Dir zusätzlich noch den Rücken freigehalten. Meine Hochachtung, Gabi.

Ihr seid zwei Personen, von denen man lernen kann, nicht negativ, schimpfend und labernd und hohle Sprüche klopfend durchs Leben zu gehen. Du hast sowieso ein gesundes Mißtrauen gegen Leute, die Sprüche klopfen. Handeln, selbst anpacken, etwas gegen Ungerechtigkeiten tun – das ist Dein Lebensmotor, Rainer.

Du hast die Welt ein bißchen besser gemacht und hast Not gelindert bei Menschen, die sonst keine Chance haben.